Di, 16-18

Mütter, die ihre Kinder töten – ein radikaler, schockierender Stoff, der bereits in der Antike mit Euripides' Medea die Bühne betritt. Seit dem Sturm und Drang widmet sich das deutschsprachige Drama diesem Thema immer wieder: nicht nur als Einzelfall psychischer Ausnahmelage, sondern auch als Spiegel gesellschaftlicher Zwänge. Im Zentrum stehen Fragen nach sozialer Ungleichheit, sexueller Gewalt, starren Geschlechternormen und rigiden Heiratsregeln – Faktoren, die uneheliche Mütter in ausweglose Situationen treiben. Gleichzeitig erproben die Dramen literarische Strategien der Mitleidserzeugung: So nimmt in Heinrich Leopold Wagners Die Kindermörderin (1776) die verzweifelte junge Mutter auf offener Bühne „eine Stecknadel, und drückt sie dem Kind in Schlaf [in die Schläfe], das Kind schreyt ärger.“ Im Seminar lesen wir Dramen vom Sturm und Drang bis zum Naturalismus und diskutieren die Entwicklung dramatischer Darstellungen von Schuld, Gewalt und gesellschaftlicher Verantwortung: Johann Wolfgang von Goethe: Faust I (1770/1808), Heinrich Leopold Wagner: Die Kindermörderin (1776), Jakob Michael Reinhold Lenz: Die Soldaten (1776), Friedrich Hebbel: Maria Magdalena (1844), Gerhart Hauptmann: Rose Bernd (1903).

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